Fünf Fragen an Marco Ludwig

Herr Ludwig, Sie haben im April das Amt des Präsidenten des Statistischen Landesamtes und des Landeswahlleiters Rheinland-Pfalz übernommen und dafür die stellvertretende Abteilungsleitung im Innenministerium aufgegeben. Ist Ihnen die Entscheidung leichtgefallen?
Marco Ludwig: Ich habe mich, als Innenminister Michael Ebling mir die Leitung des Statistischen Landesamtes angetragen hat, nach einem Wochenende Bedenkzeit für dieses Angebot entschieden. Bei einem beruflichen Wechsel lässt man immer etwas zurück, in meinem Fall unter anderem ein gutes Team im Innenministerium und in der Vermessungs- und Katasterverwaltung, aus der ich ja komme. Aber letztlich hat mich die neue Herausforderung gereizt, und ich freue mich darauf, gemeinsam mit einer motivierten Belegschaft das Statistische Landesamt mit seinen vielfältigen Aufgaben weiter voranzubringen. Die ersten Wochen haben mir gezeigt, dass die Entscheidung absolut richtig für mich war!
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, die das Statistische Landesamt zu bewältigen hat?
Marco Ludwig: Wie die meisten Behörden und viele Unternehmen haben wir mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. Die Konkurrenz um die besten Köpfe ist in der Region Koblenz durch gewerbliche und öffentliche Arbeitgeber sehr groß. Wir haben hier schon einige erfolgreiche Maßnahmen ergriffen, um für Jobsuchende sichtbarer und attraktiver zu werden. Das gilt es, weiter auszubauen, insbesondere um die zweite große Herausforderung zu meistern: die weitere Digitalisierung unserer Prozesse. Mein Vorgänger Marcel Hürter hat hierzu in den zurückliegenden Jahren wegweisende Projekte angeschoben, die ich gerne fortsetzen werde. Dazu gehört vor allem die Ablösung der gut 20 Jahre alten Datenbank LIS. Gemeinsam mit den statistischen Ämtern Berlin-Brandenburg und Nord schaffen wir auf der Basis eines Business-Intelligence Tools ein vollkommen neues Datenhaltungs-, Analyse- und Veröffentlichungssystem, das den Namen MATS trägt. Das „Moderne Analyse Tool Statistik“ wird den Nutzerinnen und Nutzern im Internet einen interaktiven Zugang zu den Ergebnissen der Erhebungen bieten. Auf dieser Grundlage wollen wir außerdem unter anderem für Ministerien vielfältige Analyse- und Reportingtools aufsetzen.
Die amtliche Statistik wird insbesondere in der Wirtschaft als Belastung empfunden. Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD verspricht an mehreren Stellen Entlastungen; so sollen einige bestehende Statistikpflichten ausgesetzt werden und für neue Statistikpflichten ein mindestens zweijähriges Moratorium gelten. Was bedeutet das für die Arbeit des Statistischen Landesamtes?
Marco Ludwig: Mir ist bewusst, dass die Meldungen zu den Erhebungen der amtlichen Statistik von den Unternehmen als Belastung wahrgenommen werden. Daher erscheint es folgerichtig, dass die Koalition bei ihren Maßnahmen zum Bürokratieabbau sämtliche Möglichkeiten in den Blick nimmt. Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder werden die Diskussionen konstruktiv begleiten. Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag entspricht den langjährigen Bestrebungen der amtlichen Statistik, den mit den Statistikpflichten entstehenden Aufwand zu reduzieren. Dieser Weg wurde durch die Statistischen Ämter bereits sehr erfolgreich beschritten. Laut Belastungsbarometer machen die Bürokratiekosten aus den Meldepflichten zur amtlichen Statistik weniger als ein Prozent der gesamten Bürokratiekosten der Unternehmen aus bundesrechtlichen Informationspflichten aus. Viel wichtiger finde ich es, dass wir zur einer Normalisierung des Datenschutzes in Deutschland kommen. Auch die Nachbarländer unterstehen derselben DSGVO wie wir. Aber dort laufen Prozesse weitaus digitaler und besser, weil der Datenschutz vernünftig ausgelegt wird. Damit könnten wir auch für die Statistik weitaus bessere digitale Prozesse in der Datenübermittlung aufsetzen, die Meldepflichtigen entlasten und weiterhin die wichtigen und unerlässlichen Daten der amtlichen Statistik für Politik, Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger in gleicher, wenn nicht noch besserer Qualität liefern.
Lassen sich Statistikpflichten einfach so aussetzen?
Marco Ludwig: Statistiken sind kein Selbstzweck; die erhobenen Daten dienen der Politik, der Wissenschaft, aber auch der Wirtschaft und ihren Verbänden als Basis für evidenzbasierte Planungen und Evaluierungen. Einer meiner Vorgänger sprach in diesem Zusammenhang gerne vom volkswirtschaftlichen Controlling. Unsere Aufgabe wird es sein, darauf zu achten, dass durch das Aussetzen von Statistikpflichten keine Daten verloren gehen, die zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland insgesamt, aber auch in den Bundesländern, erforderlich sind. So, wie ein Unternehmen nicht ohne solides Controlling funktioniert, kann auch ein Staat nicht mit einer lückenhaften Datenbasis gesteuert werden. Aktuell erkennen wir sehr deutlich durch den Handelskrieg, wie wichtig die Daten als Indikatoren sind. Darauf will und kann im Grunde keiner verzichten.
Sie haben auch das Amt des Landeswahlleiters übernommen. Hinter uns liegt eine Bundestagswahl, die recht kurzfristig organisiert werden musste. Im Nachgang gab es aus der Kommunalpolitik, aber auch aus den Medien, Kritik an der Darstellung der Ergebnisse auf den Internetseiten des Landeswahlleiters. Wie beurteilen Sie das, auch aus Ihrer Sicht als Kommunalpolitiker?
Marco Ludwig: Die Rechtslage empfinde ich als Landeswahlleiter und auch als Stadtbürgermeister als unbefriedigend. Wegen der hohen Briefwahlanteile und der unterschiedlichen Parteienpräferenz von Brief- und Urnenwählern zeigt das Urnenwahlergebnis allein nicht unbedingt das Wahlverhalten einer Gemeinde und wird daher von vielen zu Recht als verzerrt wahrgenommen. Dazu gab es mehrere Anträge von Rheinland-Pfalz auf Bundesebene, die aber abgelehnt wurden. Ich werde mich, wie mein Vorgänger, weiterhin für eine Lösung einsetzen, die es bei der nächsten Bundestagswahl ermöglicht, für die Ortsgemeinden ein Gesamtergebnis aus Urnen- und Briefwahl darzustellen. Eine Änderung der Bundeswahlordnung dahingehend, dass die Urnenwahlvorstände auch die Briefwahl vor Ort auszählen dürfen, erscheint mir hier der gangbarste Weg. Briefwahlvorstände für jede Ortsgemeinde zu berufen halte ich auch aus meiner kommunalpolitischen Erfahrung für nicht leistbar. Positiv: Bei der kommenden Landtagswahl wird es dieses Problem nicht geben.
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Zur Person
Marco Ludwig (Jahrgang 1977) schloss im April 2006 sein Diplom-Studium des Vermessungswesens an der Technischen Universität Darmstadt ab. Von Juli 2006 bis August 2008 absolvierte er seinen Vorbereitungsdienst für den höheren technischen Verwaltungsdienst in der Fachrichtung Vermessungs- und Liegenschaftswesen und schloss diesen mit der großen Staatsprüfung ab. Im August 2009 trat Ludwig seinen Dienst beim Vermessungs- und Katasteramt Alzey an, zuvor war er rund zehn Jahre in der freien Wirtschaft tätig. Nach einer Abordnung 2012 an das Ministerium des Innern und für Sport folgte eine Versetzung an das Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation in Koblenz. Im Jahr 2016 wurde der 47-Jährige an das Ministerium des Innern und für Sport versetzt und übernahm die Referatsleitung für Raumbezug, Geodatenmanagement und Gebührenrecht. 2018 übernahm er die Funktion des Leiters des Referats „Liegenschaftskataster, Geotopografie, Grundstücksbewertung“. Im November 2023 wurde er zum Leiter des Referats „Grundsatzangelegenheiten, Organisation, Personal und Haushalt in der Vermessungs- und Katasterverwaltung“ und zum stellvertretenden Leiter der Abteilung „Landesplanung, Vermessung und Geoinformation“ ernannt. Weiterhin vertrat er Rheinland-Pfalz im Kuratorium des Oberprüfungsamtes für das technische Referendariat und ist dort auch als Prüfer tätig.