Wirtschaft schrumpft das dritte Jahr in Folge
Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsleistung verringerte sich 2024 das dritte Jahr in Folge. Nach vorläufigen Berechnungen des Arbeitskreises „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ sank das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt 2024 um 1,1 Prozent. Im Bundesdurchschnitt entwickelte sich die Wirtschaft besser als in Rheinland-Pfalz; die deutsche Wirtschaftsleistung schrumpfte um 0,2 Prozent. In den Bundesländern reichte die Spannweite der Veränderungsraten des Bruttoinlandsprodukts von –1,9 Prozent im Saarland bis +1,7 Prozent in Hamburg.
Preisbereinigtes Bruttoinlandsprodukt
Messzahl: 2014=100
© Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz
Im Produzierenden Gewerbe – dem sekundären Sektor – sank die Bruttowertschöpfung 2024 deutlich (–5,1 Prozent; Deutschland: –3 Prozent). Daran hatte das Verarbeitende Gewerbe einen erheblichen Anteil. In einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld, das unter anderem durch geopolitische Konflikte, zunehmende Konkurrenz auf dem Weltmarkt, weiterhin hohe Energiepreise, strukturelle Herausforderungen und unsichere wirtschaftliche Aussichten geprägt wurde, nahm die Wirtschaftsleistung der stark exportorientierten Industrie deutlich ab. Die Bruttowertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes schrumpfte 2024 preisbereinigt um 6,3 Prozent (Deutschland: –2,9 Prozent).
Der Wertschöpfungsanteil der Industrie nahm 2024 um 1,2 Prozentpunkte auf knapp 21 Prozent ab und erreichte damit den niedrigsten Wert in der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsgeschichte. Im Vergleich der Länder hat Rheinland-Pfalz nur noch den sechsthöchsten Industrieanteil. Mit Abstand an der Spitze liegt Baden-Württemberg (31 Prozent), gefolgt von Bayern (23 Prozent). In Deutschland beläuft sich der Wertschöpfungsanteil des Verarbeitenden Gewerbes auf knapp 20 Prozent.
Das Baugewerbe trug ebenfalls zum Rückgang der Wirtschaftsleistung bei, da die Rahmenbedingungen weiterhin schwierig blieben. So gingen die Bauzinsen zwar leicht zurück, lagen aber noch immer auf einem hohen Niveau. Zudem setzte sich der Preisanstieg bei den Bauleistungen weiter fort, wenn auch nicht mehr so stark wie in den Vorjahren. Die Zahl der Baugenehmigungen sank auf einen neuen Tiefstand. Die preisbereinigte Bruttowertschöpfung des Baugewerbes verringerte sich um 2,7 Prozent. Damit entwickelte sich der Bereich allerdings besser als in Deutschland (–3,7 Prozent).
Die Wertschöpfung des Sektors „Land- und Forstwirtschaft, Fischerei“ schwankt sehr stark. Nach einem kräftigen Wachstum 2023 (+14 Prozent) trug der Bereich 2024 ebenfalls zum Rückgang der Wirtschaftsleistung bei. Die Bruttowertschöpfung des primären Sektors sank preisbereinigt um 0,8 Prozent (Deutschland: –0,1 Prozent). Der Anteil des Bereichs an der gesamten Wirtschaftsleistung ist mit 1,3 Prozent allerdings sehr gering, liegt in Rheinland-Pfalz aber über dem Bundesdurchschnitt (0,9 Prozent).
Im Dienstleistungssektor stieg die Bruttowertschöpfung. Sie erhöhte sich 2024 um 0,8 Prozent und wuchs damit nur geringfügig schwächer als in Deutschland (+0,9 Prozent). Der Anteil der Dienstleistungsbereiche an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung lag in Rheinland-Pfalz bei 68 Prozent und damit unter dem Bundesdurchschnitt (71 Prozent). Zwei der drei Teilbereiche des Dienstleistungssektors entwickelten sich positiv. Am stärksten stieg die Bruttowertschöpfung des Teilsektors „Öffentliche und sonstige Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit“ (+1,8 Prozent; Deutschland: +1,7 Prozent). Mit einem Anteil von 25 Prozent ist dies der größte Teilsektor. Zum Wertschöpfungszuwachs trug insbesondere der staatlich und kommunal geprägte Teilbereich „Öffentliche Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit“ bei (+2 Prozent). Im kleineren Teilbereich „Sonstige Dienstleistungen“ lag die Wertschöpfung um 0,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Zu diesem Bereich gehören unter anderem künstlerische und unterhaltende Tätigkeiten.
Der Teilsektor „Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation“ ist mit einem Wertschöpfungsanteil von 19 Prozent der kleinste der drei Dienstleistungsbereiche. Mit einem preisbereinigten Plus von 0,6 Prozent war der Wertschöpfungsanstieg etwas schwächer als im Bundesdurchschnitt (+0,7 Prozent). Im Teilbereich „Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe“ erhöhte sich die Wertschöpfung 2024 um 0,4 Prozent. Dazu trug insbesondere der Wirtschaftsabschnitt „Verkehr und Lagerei“ bei, während das Gastgewerbe Einbußen hinnehmen musste. Die Bruttowertschöpfung im Abschnitt „Information und Kommunikation“ stieg um 1,5 Prozent.
Die Wirtschaftsleistung des Teilsektors „Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleistungen, Grundstücks- und Wohnungswesen“ lag 2024 geringfügig unter dem Vorjahresniveau (–0,1 Prozent; Deutschland: +0,3 Prozent). Im Teilbereich „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ sank die Wertschöpfung deutlich um 3,3 Prozent. Die Unternehmensdienstleistungen verbuchten einen leichten Rückgang um 0,2 Prozent. Der Teilbereich „Grundstücks- und Wohnungswesen“ verzeichnete dagegen ein Plus von einem Prozent. Der Wertschöpfungsanteil des Teilsektors „Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleistungen, Grundstücks- und Wohnungswesen“ betrug im Berichtsjahr 24 Prozent.
Parallel zur rheinland-pfälzischen Wirtschaftsleistung sank 2024 auch das Arbeitsvolumen. Dazu trug der Rückgang der Erwerbstätigenzahl, insbesondere der Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen, bei. Zudem verringerte sich die Pro-Kopf-Arbeitszeit unter anderem durch die Verschiebung von Vollzeit- zu Teilzeitbeschäftigung und den Anstieg der Kurzarbeit. Insgesamt wurden 2,7 Milliarden Arbeitsstunden geleistet. Das waren 13 Millionen Stunden bzw. 0,5 Prozent weniger als im Jahr zuvor (Deutschland: –0,1 Prozent). Jede bzw. jeder Erwerbstätige arbeitete durchschnittlich 1.308 Stunden, also vier Stunden bzw. 0,3 Prozent weniger als 2023. Damit setzte sich der langfristige Trend einer sinkenden Pro-Kopf-Arbeitszeit weiter fort. Da sich das reale Bruttoinlandsprodukt stärker verringerte als das Arbeitsvolumen, sank die preisbereinigte Produktivität je Arbeitsstunde (–0,6 Prozent; Deutschland: –0,1 Prozent).
Die Ausgaben der Unternehmen für das Arbeitnehmerentgelt stiegen 2024 deutlich; die Entgeltsumme legte auch aufgrund der hohen Tarifabschlüsse, Inflationsausgleichszahlungen und der Anhebung des Mindestlohns um 5,2 Prozent zu (Deutschland: +5,6 Prozent). Das Arbeitnehmerentgelt umfasst sämtliche Geld- und Sachleistungen, die den Beschäftigten zufließen (einschließlich der Sozialbeiträge der Arbeitgeber). Da die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stagnierte, erhöhte sich das Entgelt je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer in ähnlichem Ausmaß wie die Entgeltsumme, und zwar um 5,3 Prozent (Deutschland: +5,2 Prozent). Das Entgelt je geleisteter Arbeitsstunde legte nur minimal stärker zu (+5,4 Prozent; Deutschland: +5,3 Prozent), da das Stundenvolumen leicht abnahm.
Werden die Entgelte je Arbeitnehmer bzw. je Arbeitnehmerstunde, also die Lohnkosten, ins Verhältnis gesetzt zur Arbeitsproduktivität, d. h. zum preisbereinigten Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen (Personenkonzept) bzw. je Erwerbstätigenstunde (Stundenkonzept), so ergeben sich die Lohnstückkosten. Sie sind ein wichtiger Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten nahmen 2024 deutlich zu. Sie erhöhten sich nach dem Personen- bzw. dem Stundenkonzept um 6,3 bzw. 6,1 Prozent (Deutschland: +5,6 bzw. +5,5 Prozent). Dazu trugen sowohl der Anstieg des Entgelts je Arbeitnehmer bzw. je Arbeitnehmerstunde als auch der Rückgang der Arbeitsproduktivität bei.
In vielen Industriebranchen sinken die Umsätze
Um die Entwicklung in den einzelnen Wirtschaftsbereichen im Detail zu analysieren, ist ein Rückgriff auf verschiedene Konjunkturstatistiken erforderlich. Diese Statistiken enthalten keine Angaben zur Bruttowertschöpfung, sodass die Entwicklung auf Branchenebene anhand der Umsätze dargestellt wird. Die Umsätze entsprechen in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen in etwa dem Produktionswert. Werden vom Produktionswert die Vorleistungen subtrahiert, ergibt sich die Bruttowertschöpfung.
Der Beitrag des Verarbeitenden Gewerbes zur Wirtschaftsleistung liegt in Rheinland-Pfalz über dem Bundesdurchschnitt. Die schwache Entwicklung der Industrie hat daher einen erheblichen Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Situation. Im Jahr 2024 erwirtschaftete die Industrie[2] nominal, also in jeweiligen Preisen, acht Prozent weniger Umsatz als im Jahr zuvor. Ein Grund dafür ist die schwache Binnenkonjunktur in Deutschland, die zum Rückgang der Inlandsumsätze um 8,2 Prozent beitrug. Aber auch vom Auslandsgeschäft, das für die rheinland-pfälzische Industrie von großer Bedeutung ist, gingen keine Wachstumsimpulse aus. Die Auslandsumsätze fielen um 7,8 Prozent.
In allen drei industriellen Hauptgruppen lagen die Umsätze 2024 unter dem Vorjahresniveau. Während 2023 besonders die Branchen der Vorleistungsgüterindustrie, die mit hohem Energieeinsatz produzieren, zum Umsatzrückgang in der Industrie beigetragen hatten, waren 2024 andere Industriezweige stärker betroffen. Besonders kräftige Einbußen gab es in der Investitionsgüterindustrie, deren Erlöse um 16 Prozent sanken. Neben der strukturellen Transformation der Kfz-Industrie, die 2024 ein Viertel weniger umsetzte als im Vorjahr, dürfte dafür auch die schwache Investitionsgüternachfrage angesichts der angespannten Wirtschaftslage und der gedämpften Konjunkturaussichten für 2025 verantwortlich sein. Zudem sorgten geopolitische Risiken sowie die Ungewissheit über die zukünftige Ausrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik durch die vorgezogenen Bundestagswahlen für Verunsicherung. Unter diesen Rahmenbedingungen investieren Unternehmen typischerweise weniger in neue Maschinen, Geräte und Fahrzeuge. Entsprechend sanken auch im Maschinenbau die Umsätze deutlich (–12 Prozent).
Insgesamt lagen die Erlöse 2024 in acht der zehn umsatzstärksten Industriebranchen unter dem Vorjahresniveau. Dies galt auch für die Chemieindustrie, die mit Abstand umsatzstärkste Branche. Die Hersteller chemischer Erzeugnisse machten 3,4 Prozent weniger Umsatz als im Vorjahr. Die Gummi- und Kunststoffindustrie sowie die Hersteller von Nahrungs- und Futtermitteln waren die einzigen unter den zehn umsatzstärksten Industriebranchen, die ihre Umsätze 2024 steigern konnten (+4,7 bzw. +0,8 Prozent).
Nominales Umsatzwachstum im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe
Die Umsätze im Bauhauptgewerbe nahmen 2024 zu. Die baugewerblichen Umsätze der Betriebe von Rechtlichen Einheiten mit 20 und mehr tätigen Personen, die im Rahmen der Konjunkturerhebung befragt wurden, lagen knapp über fünf Milliarden Euro. Gegenüber 2023 bedeutet das nominal ein Plus von 1,6 Prozent. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieser Umsatzzuwachs zumindest teilweise auf Preissteigerungen zurückzuführen ist. Für Deutschland liegen neben nominalen Umsätzen auch Informationen zur realen Umsatzentwicklung vor. Dort stand einem nominalen Umsatzplus von 0,7 Prozent preisbereinigt ein Umsatzminus von einem Prozent gegenüber.
Die Umsätze der beiden Bereiche des Bauhauptgewerbes entwickelten sich unterschiedlich. Die Erlöse der Tiefbaubetriebe in Rheinland-Pfalz stiegen 2024 im Vergleich zum Vorjahr nominal um 7,1 Prozent. Alle drei Teilbereiche des Tiefbaus konnten ihre Umsätze steigern: Den größten Zuwachs verzeichnete der gewerbliche Tiefbau (+11 Prozent), zu dem unter anderem der Bau von Bahnverkehrsstrecken und von Kabelnetzen (beispielsweise für den Breitbandausbau) zählt. Die Betriebe des Straßenbaus und des sonstigen öffentlichen Tiefbaus erwirtschafteten ein Umsatzplus von 7,6 bzw. 1,8 Prozent. Im Hochbau schrumpften die Erlöse um 4,9 Prozent. Der Grund dafür ist die schwache Entwicklung des Wohnungsbaus, dessen Umsätze im Vorjahresvergleich um 18 Prozent zurückgingen. Im öffentlichen Hochbau sowie im gewerblichen Hochbau stiegen die Erlöse um 8,7 bzw. 0,7 Prozent.
Im Ausbaugewerbe wuchsen die Umsätze 2024 kräftig. Die ausbaugewerblichen Umsätze der Betriebe von Rechtlichen Einheiten mit 20 und mehr Beschäftigten lagen bei 3,6 Milliarden Euro und damit um zwölf Prozent über dem Vorjahresniveau (Deutschland: +3,3 Prozent). Das Umsatzwachstum ist zum Teil auf den Anstieg der Zahl der in die Erhebung einbezogenen Betriebe zurückzuführen. Ihre Zahl erhöhte sich 2024 um elf Prozent auf 578, da mehr Rechtliche Einheiten die Abschneidegrenze von 20 Beschäftigten überschritten. Zum kräftigen Umsatzwachstum trug zu großen Teilen der Bereich der Bauinstallation bei, der unter anderem die Elektroinstallateure sowie Gas-, Wasser- und Heizungsinstallateure umfasst. Für den Zuwachs könnte die weiterhin hohe Nachfrage nach energetischer Sanierung verantwortlich sein. Ähnlich wie im Bauhauptgewerbe könnten auch Preiserhöhungen bei Baustoffen und Bauleistungen die Umsatzentwicklung beeinflusst haben.