15/2025 | Petra Wohnus | Handwerk, Arbeit, Unternehmen

Handwerk in Rheinland-Pfalz

Ist der Boden noch golden?

18. Juni 2025

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Petra Wohnus
Diplom-Volkswirtin
Referat „Unternehmensstatistiken“
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Das Handwerk gehört zum Rückgrat in der regionalen Wirtschaft von Rheinland-Pfalz: Rund 18 Prozent aller Unternehmen zählen zu diesem Wirtschaftsbereich. Die Krisen der jüngeren Vergangenheit haben allerdings ihre Spuren hinterlassen: Steigende Material- und Energiekosten fordern viele Handwerkerinnen und Handwerker heraus. Erschwert wird die wirtschaftliche Situation durch den anhaltenden Fachkräftemangel. Die Entwicklung im Jahr 2024 war daher in vielen Gewerbezweigen des Handwerks von sinkenden Umsätzen und rückläufigen Beschäftigtenzahlen gekennzeichnet.

Tradition und Vielfalt

Die Redensart „Handwerk hat goldenen Boden“ reicht bis ins Mittelalter zurück und soll in aller Kürze auf die guten beruflichen Aussichten im Handwerk hinweisen. In dieser Zeit sicherte das Handwerk Einkommen und war häufig Garant für eine sichere soziale Stellung. Alles, was die Bevölkerung zum Leben benötigte und nicht selbst erstellen konnte, wurde vom Handwerk erbracht. Die Arbeits- und Lebensweise hat sich jedoch von damals bis heute grundlegend geändert. Die früher vorherrschenden agrarisch-handwerklichen Strukturen sind einer Industriegesellschaft mit zunehmendem Dienstleistungsschwerpunkt gewichen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Metapher auch noch heute Gültigkeit besitzt.

Die bereits seit frühen Zeiten bestehende Vielfalt der handwerklichen Leistungen ist geblieben und zeigt sich bis heute. Neben den traditionellen Einsatzbereichen wie Zimmerer, Maurer und Bäcker finden sich immer mehr Tätigkeiten, die handwerkliche Fähigkeiten mit technologischem Wissen verknüpfen, wie beispielsweise in den Berufsbildern der Mechatronikerin bzw. des Mechatronikers und der Elektrikerin bzw. des Elektrikers. Neben der wirtschaftlichen Bedeutsamkeit zeigt sich der Stellenwert des Handwerks auch in seinem Beitrag zum kulturellen und gesellschaftlichen Leben. Aufgrund der weit zurückliegenden Ursprünge der handwerklichen Tätigkeiten und Traditionen tragen diese zu einer kulturellen Verbundenheit bei und schaffen somit ein Bewusstsein für Althergebrachtes und führen zu einer Stärkung des regionalen Gemeinschaftsgefühls. Auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten, die in Zeiten von Klimawandel und einem immer stärker ausgeprägten Bewusstsein der Gesellschaft für Umweltprobleme an Bedeutung gewinnen, leistet das Handwerk seinen Betrag: Sei es durch eine höhere Langlebigkeit der Güter aufgrund der handwerklichen Herstellungsprozesse, der Ausschöpfung von Recylingmöglichkeiten zur Einsparung von Ressourcen oder der Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Nicht zuletzt zählt das Handwerk zu einem wichtigen Arbeitgeber und das auch in eher ländlich geprägten Regionen, die als industrielle Standorte weniger Attraktivität besitzen.

Handwerk in der amtlichen Statistik

Die Daten der amtlichen Statistik zum Handwerk stammen aus zwei Quellen: der vierteljährlichen Handwerksberichterstattung sowie der jährlich stattfindenden Handwerkszählung. Während die vierteljährliche Handwerksberichterstattung aktuelle Informationen über die konjunkturelle Lage im Handwerk liefert, eignen sich die Merkmale der Handwerkszählung für strukturelle Betrachtungen. Die Auswertungen beider Erhebungen ermöglichen eine fundierte und detaillierte Analyse des Handwerkssektors. In diesem Beitrag erfolgt eine Betrachtung der aktuellen Lage im Handwerk auf Basis der Handwerksberichterstattung für das Jahr 2024. Für die sich anschließende Strukturbeschreibung werden die Daten der Handwerkszählung 2022 herangezogen. Aktuellere Daten zur Struktur des Handwerks stehen aufgrund des Datengewinnungsprozesses, der auf einer Auswertung des statistischen Unternehmensregisters und nicht auf einer Erhebung bei den Handwerksbetrieben basiert, nicht zur Verfügung. 

Die vierteljährliche Handwerksberichterstattung dient der Konjunkturbeobachtung. Sie bildet die Entwicklung der Umsätze sowie der sozialversicherungspflichtig und geringfügig entlohnten Beschäftigten der Handwerksbetriebe ab. Die Ergebnisse dieser Statistik werden seit 2008 ebenfalls vollständig aus der Auswertung vorhandener Daten der Finanz- und Arbeitsverwaltung erstellt. Daraus werden Messzahlen (Indizes) und Veränderungsraten für die Landesebene errechnet. Daten in tieferer regionaler Gliederung sowie absolute Zahlen liegen nicht vor.

Die Handwerkszählung findet jährlich statt und stellt Informationen über den Umfang und die Struktur von selbstständigen Handwerksunternehmen des zulassungspflichtigen und des zulassungsfreien Handwerks im Berichtsjahr zur Verfügung. Die Handwerkszählung ab dem Berichtsjahr 2008 ist eine Auswertung von Verwaltungsdaten aus dem für statistische Zwecke eingerichteten Unternehmensregister sowie sonstiger vorhandener Verwaltungsdaten. Damit werden für diese Statistik keine Unternehmen mehr direkt befragt. Dies trägt zur Entlastung der Wirtschaft bei. Die auswertbaren Merkmale beschränken sich auf jene, die in diesen Datenquellen verfügbar sind. Hauptmerkmale sind hier die Umsätze sowie die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und die geringfügig entlohnten Beschäftigten der Handwerksunternehmen. Weitere Strukturmerkmale, die für Auswertungen zur Verfügung stehen, sind der Sitz des Handwerksunternehmens, die Rechtsform, die Zugehörigkeit des Unternehmens zu einer Handwerkskammer sowie der Gewerbezweig des Handwerksunternehmens. Für die Handwerkszählung werden die Daten der Unternehmen ausgewertet, die im Berichtsjahr steuerbaren Umsatz aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von mindestens 22.000 Euro hatten und/oder kumuliert über die zwölf Monate des Berichtsjahres über mindestens einen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten oder mindestens zwölf geringfügig entlohnte Beschäftigte verfügten

Der Großteil der Handwerksunternehmen gehört zum sogenannten zulassungspflichtigen Handwerk. Hierzu zählen in Abhängigkeit von der Berufsqualifikation diejenigen Gewerke, für die zur selbstständigen Ausübung ein Meisterbrief oder vergleichbare Qualifikation erforderlich ist. Dagegen existieren für das zulassungsfreie Handwerk keine derartigen administrativen Hürden. Nach den Ergebnissen der Handwerkszählung 2022 zählten 88 Prozent aller Handwerksunternehmen bzw. 25.205 Einheiten zum zulassungspflichtigen Handwerk. Von den 145 Gewerken, die nach der Handwerksordnung zum Handwerk zählen, muss in 53 eine Zulassungspflicht erbracht werden. Diese werden in der Anlage A der Handwerksordnung aufgeführt. Die übrigen 92 Eintragungen im zulassungsfreien Handwerk werden in den Anlagen B1 (zulassungsfreie Handwerke) und B2 (handwerksähnliche Gewerbe) geführt. 

Die Zugehörigkeit zum Handwerk ist in Deutschland gesetzlich geregelt. Es wird zwischen dem zulassungspflichtigen und zulassungsfreien Handwerk unterschieden. Die Festlegungen hierzu erfolgen in der Handwerksordnung. Die selbstständige Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks erfordert eine Meisterprüfung oder ähnliche Qualifikation für Berufe, die besonders gefahrgeneigt sind und/oder eine besondere Ausbildungsleistung erbringen. Sie bedarf einer Eintragung in die Handwerksrolle. Die betroffenen Handwerke werden in der Anlage A der Handwerksordnung aufgeführt. Die zulassungsfreien Handwerke und handwerksähnlichen Gewerbe können dagegen ohne besondere Qualifikationsnachweise selbstständig ausgeübt werden. Eine Auflistung findet sich in den Anlagen B1 und B2 der Handwerksordnung. Die gesetzliche Grundlage zur Handwerksordnung stammt aus dem Jahr 1953. Aufgrund von Gesetzesänderungen und Verordnungen kam es im Laufe der Jahre immer wieder zu Anpassungen. Die letzte Änderung der Handwerksrolle trat am 1. Juli 2024 in Kraft. Während die Novellierung im Jahr 2020 die Wiedereinführung der Meisterpflicht für zwölf bis dahin zulassungsfreie Handwerke im Fokus hatte, ging es bei der nachfolgenden Aktualisierung im Juli 2021 hauptsächlich um die Reform des Meisterprüfungswesens. Die Änderungen zum 01. Juli 2024 betreffen wesentliche Änderung des Gerüstbauer-Handwerks. 

Weniger Umsätze in allen Quartalen 2024

Die Umsätze im zulassungspflichtigen Handwerk sind 2024 nominal, d. h. ohne Preisbereinigung, gegenüber dem Vorjahr um zwei Prozent zurückgegangen. In allen Quartalen sind die Umsätze im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum rückläufig. Besonders deutlich sind sie mit –2,7 bzw. –2,3 Prozent im ersten und letzten Vierteljahr 2024 gesunken. Bei diesen Entwicklungen muss berücksichtigt werden, dass das Jahr 2023 unter großem Einfluss gestiegener Preise stand. Höhere Energiepreise im Zuge der geopolitischen Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine sowie lückenhafte Lieferketten unter anderem noch als Folgewirkung der Coronapandemie trieben die Preise 2022 und 2023 und damit die Herstellungskosten deutlich nach oben. Der Erzeugerpreisindex für gewerbliche Produkte lag in diesen beiden Jahren im Durchschnitt um 30 Prozentpunkte über dem Wert von 2021. Die an die neue Kostensituation angepassten Preise führten zwangsläufig zu höheren nominalen Umsätzen. In der Folge konnten die Handwerkstreibenden 2023 einen Umsatzanstieg von 5,6 Prozent verzeichnen. Vor allem in den beiden ersten Quartalen registrierten die Unternehmen mit +8,1 bzw. +8,3 Prozent deutlich mehr Umsätze. Dann flachte sich die Entwicklung ab: Im dritten Quartal 2023 betrug der Umsatzanstieg noch 4,2 Prozent und im letzten Vierteljahr 2,7 Prozent. 

Umsatz und Beschäftigte im zulassungspflichtigen Handwerk 2024

Veränderung zum Vorjahresquartal in %

1 Vorläufiges Ergebnis.

© Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz

In vier der sieben Gewerbegruppen des zulassungspflichtigen Handwerks zeigten sich 2024 Umsatzrückgänge im Vergleich zum Vorjahr. Gravierende Einbrüche verzeichnete die Baubranche, hier machte sich vor allem der stark rückläufige Wohnungsbau bemerkbar: Im Ausbaugewerbe betrug das Umsatzminus 5,5 Prozent und im Bauhauptgewerbe waren es vier Prozent. Rückgänge musste auch das Lebensmittelgewerbe hinnehmen (–2,6 Prozent) sowie die Handwerke für den gewerblichen Bedarf (–1,1 Prozent). Entgegengesetzt hierzu legten die Umsätze im Kraftfahrzeuggewerbe (+2 Prozent) sowie im Gesundheitsgewerbe (+5,2 Prozent) zu. Bei den Entwicklungen im Kraftfahrzeuggewerbe muss berücksichtigt werden, dass neben den handwerklichen Leistungen auch der Verkauf von Kraftfahrzeugen mit in die Umsätze einfließt. Ein Umsatzplus konnten auch die Handwerke für den privaten Bedarf, zu denen beispielsweise Friseurinnen und Friseure zählen, verbuchen (+1,2 Prozent).  

Umsatz und Beschäftigte im zulassungspflichtigen Handwerk 2024¹

Nach Gewerbegruppen; Veränderung zum Vorjahr in %

1 Vorläufiges Ergebnis.

© Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz