Beschäftigungsrückgang hält an
Die Beschäftigung im Handwerk war 2024 rückläufig. Im Durchschnitt des Jahres wurden 1,8 Prozent der Stellen abgebaut. Vor allem in den beiden letzten Quartalen gewann der Rückgang an Dynamik und fiel mit –2,1 Prozent im dritten Quartal und –2,3 Prozent im letzten Vierteljahr am größten aus. Bereits 2023 war die Zahl der Beschäftigten im Handwerk gesunken (–1,3 Prozent). Der Beschäftigungsrückgang betraf nahezu alle Gewerbegruppen: Sechs der sieben Branchen registrierten weniger Arbeitskräfte. Auch hier musste das Baugewerbe die größten Einbußen hinnehmen: Im Bauhauptgewerbe reduzierte sich die Belegschaft um 3,3 Prozent und im Ausbaugewerbe um 2,4 Prozent. Lediglich das Kraftfahrzeuggewerbe verbuchte ein geringes Plus von 0,4 Prozent.
Dabei ist der Beschäftigungsrückgang nur in Teilen auf eine angespannte wirtschaftliche Situation in den Unternehmen zurückzuführen. Laut Umfragen des Zentralverband des Handwerks hat der Stellenabbau eine Ursache im demografischen Wandel.[1] Im Zuge der geringer besetzten jüngeren Altersgruppen kommt es zu einem Fachkräftemangel, der sich auch im Handwerk niederschlägt. Eine Nach- bzw. Neubesetzung von Stellen ist somit häufig nicht möglich. Des Weiteren zeigen Studienergebnisse des Deutschen Handwerkerinstituts, dass es bereits seit längerer Zeit eine größere Wechselbereitschaft von den Handwerksberufen in die Industrie gibt. Während noch Ende der 1990er-Jahre etwa die Hälfte der im Handwerk ausgebildeten Arbeitskräfte in ihrem weiteren Arbeitsleben in diesem Bereich verblieben, zeigen Ergebnisse für 2006 und 2012, dass die 40-Prozent-Marke bereits unterschritten wurde.[2] Ein Grund hierfür dürfte in den Verdienstunterschieden zwischen beiden Wirtschaftsbereichen liegen: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verdiente 2021 eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft im Handwerk 3.216 Euro. Dagegen lag der Durchschnittsverdienst in einem Betrieb des Produzierenden Gewerbes ohne Handwerkseigenschaft bei 4.096 Euro.[3]
Handwerkszählung 2022
Nach der Handwerkszählung 2022 waren in Rheinland-Pfalz 28.725 Handwerksunternehmen ansässig. Gemessen an der Gesamtzahl der Unternehmen aus dem statistischen Unternehmensregister[4] zählten gut 18 Prozent der Unternehmen zum Handwerk. Verglichen mit den bundesweiten Ergebnissen besitzt das Handwerk in der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsstruktur einen höheren Stellenwert; deutschlandweit lag der Anteil der Handwerksunternehmen mit knapp 17 Prozent etwas niedriger.
Die Handwerksunternehmen mit Zulassungspflicht erwirtschafteten 2022 einen nominalen Umsatz, also einschließlich preisbedingter Steigerungen, in Höhe von 33,7 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Jahr 2021 waren das 8,9 Prozent mehr. Die Umsätze im zulassungsfreien Handwerk lagen bei 1,8 Milliarden Euro und waren um 4,2 Prozent höher als im Jahr zuvor. Auch hier müssen die Umsatzentwicklungen vor dem Hintergrund der oben bereits erwähnten stark gestiegenen Preise für Energie und Vorleistungsgüter gesehen werden.
Die Anzahl der tätigen Personen lag im zulassungspflichtigen Handwerk 2022 bei 224.400 Arbeitskräften. In den Unternehmen ohne Zulassungspflicht belief sich die Zahl auf knapp 31.800. Schon das Jahr 2022 war durch Beschäftigungsrückgänge gekennzeichnet: Im zulassungspflichtigen Handwerk lagen diese bei 1,5 Prozent; die zulassungsfreien Gewerke verzeichneten sogar Einbußen in Höhe von 2,5 Prozent. Unterschiede zwischen beiden Handwerksbereichen zeigen sich bei der Beschäftigungsstruktur: Während im zulassungspflichtigen Handwerk 2022 für nahezu 78 Prozent der tätigen Personen Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, waren bei den zulassungsfreien Gewerken nur 64 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäftigt . Entsprechend höher liegt der Anteil der geringfügig entlohnten Beschäftigten im zulassungsfreien Handwerk mit rund einem Viertel der tätigen Personen. Bei den zulassungspflichtigen Handwerken zählen nur knapp elf Prozent zu dieser Gruppe.
Als eine näherungsweise Kenngröße für die Leistungsfähigkeit einer Branche wird die Umsatzproduktivität herangezogen. Werden die erzielten Umsätze auf die Zahl der tätigen Personen bezogen, zeigt sich aufgrund der Streuungsbreite eine weitere Facette der Heterogenität des Handwerks: Im zulassungspflichtigen Handwerk erwirtschaftete 2022 ein Mitarbeitender rund 150.000 Euro. Im zulassungsfreien Handwerk lag dieser Wert bei nur 56.000 Euro. Das heißt, dass ein Beschäftigter im zulassungspflichtigen Handwerk rechnerisch rund 2,6-mal so viel Umsatz generiert wie bei den zulassungsfreien Gewerken.
In der Handwerkszählung werden die tätigen Personen ausgewiesen. Diese umfassen alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die geringfügig entlohnten Beschäftigten sowie die tätigen Inhaberinnen und Inhaber. Die Anzahl der tätigen Inhaberinnen und Inhaber wird geschätzt. Arbeitskräfte, die von anderen Unternehmen gegen Entgelt zur Arbeitsleistung gemäß dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz überlassen wurden, werden in der Handwerkszählung nicht erfasst. Die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der vierteljährlichen Handwerksberichterstattung stammen aus der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit und basieren auf Auswertungen der Arbeitgebermeldungen zur Sozialversicherung. Sie beinhalten Daten zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und den geringfügig entlohnten Beschäftigten. Tätige Inhaberinnen und Inhaber, nicht sozialversicherungspflichtige Gesellschafterinnen und Gesellschafter, mithelfende Familienangehörige sowie kurzfristig geringfügig Beschäftige sind nicht einbezogen. Ferner ist bei der Interpretation des Merkmals Beschäftigte zu beachten, dass alle im Unternehmen sozialversicherungspflichtig und geringfügig entlohnten Personen erfasst werden, also auch diejenigen, die nicht im handwerklichen Bereich tätig sind (z. B. Verkaufs- und/oder Verwaltungspersonal). Zudem liegt den Statistikdaten eine Auswertung der beschäftigten Personen zugrunde und nicht der Beschäftigungsfälle, d. h. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit jeweils mehreren Beschäftigungsverhältnissen werden nur einem und nicht mehreren Betrieben zugerechnet.
Baugewerbe dominiert
Das Baugewerbe, zu dem das Ausbaugewerbe sowie das Bauhauptgewerbe gehören, vereinen zusammen rund 52 Prozent der tätigen Personen sowie 49 Prozent der Umsätze. Das Ausbaugewerbe nahm 2022 im Handwerk eine zentrale Rolle ein. Sowohl in seiner Bedeutung als Arbeitgeber als auch im Hinblick auf die Höhe der Umsätze führten die Gewerke im Ausbaugewerbe das Ranking an: Mit knapp 76.000 tätigen Personen lag der Anteil derer, die hier einen Arbeitsplatz hatten, gemessen an allen tätigen Personen im zulassungspflichtigen Handwerk, bei knapp 34 Prozent. Die Erlöse betrugen 9,7 Milliarden Euro und machten 29 Prozent der Umsätze im zulassungspflichtigen Handwerk aus. In dieser Gewerbegruppen sind vor allem die Elektrotechniker und Elektrotechnikerinnen sowie die Installateure/Installateurinnen und Heizungsbauer/Heizungsbauerinnen stark vertreten. Das Bauhauptgewerbe folgte mit Anteilen von 18 Prozent bei den Beschäftigten und gut 20 Prozent bei den Umsätzen an zweiter Stelle. Die am stärksten vertretenen Gewerbezweige waren hier die Maurer/ Maurerinnen und Betonbauer/Betonbauerinnen.
Struktur des zulassungspflichtigen Handwerks 2022
Nach Gewerbegruppen; Anteil in %
1 Jahresdurchschnitt, einschließlich tätiger Unternehmer/-innen.
© Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz
Im Kraftfahrzeuggewerbe, bei den Handwerken für den gewerblichen Bedarf sowie im Lebensmittelgewerbe waren zwischen 27.400 und 31.000 tätige Personen beschäftigt. Dies entspricht Anteilswerten von zwölf bis 14 Prozent. Große Unterschiede zeigten sich hier allerdings bei den erzielten Umsätzen. Das Kraftfahrzeuggewerbe konnte 2022 mehr als neun Milliarden Umsätze generieren (Umsätze einschließlich Erlöse aus dem Verkauf von Kraftfahrzeugen). Mit Umsätzen von 4,6 Milliarden Euro erzielten die Handwerke für den gewerblichen Bedarf deutlich weniger Einnahmen. Nochmals weniger waren es im Lebensmittelgewerbe mit 2,1 Milliarden Euro.
Am Ende der Skala rangierten die Handwerke für den privaten Bedarf, zu denen z. B. Friseurinnen und Friseure sowie Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfeger zählen. In den dazugehörigen Gewerbezweigen hatten gut 13.000 tätige Personen einen Arbeitsplatz (Anteil: 5,9 Prozent). Diese erwirtschafteten allerdings nur rund 570.000 Millionen Euro bzw. 1,7 Prozent aller Umsätze. Allerdings stellten die Gewerke in dieser Gewerbegruppe 14 Prozent aller Handwerksunternehmen und belegten nach diesem Kriterium den dritten Platz.
Höchste Produktivität im Kraftfahrzeuggewerbe
Die Umsatzproduktivität fällt in den einzelnen Gewerbegruppen sehr unterschiedlich aus. Im Kraftfahrzeuggewerbe betrug die rechnerische Leistungsfähigkeit knapp 291.000 Euro je tätiger Person und führte das Ranking an. Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass in die Umsätze des Kraftfahrzeuggewerbes die Erlöse aus dem Fahrzeugverkauf einfließen. Mit deutlichem Abstand folgte das Bauhauptgewerbe. Hier trug eine tätige Person knapp 172.000 Euro zum Umsatz bei. In den Handwerken für den gewerblichen Bedarf sowie im Ausbaugewerbe lagen die Ergebnisse mit 164.000 bzw. 128.000 Euro je tätiger Person noch über der 100.000-Euro-Grenze. Das Schlusslicht bilden die Handwerke für den privaten Bedarf mit gerade einmal 43.000 Euro je tätiger Person.
Regionale Unterschiede
Die Betrachtung der Dichte der Unternehmen als auch die der tätigen Personen für die Aggregate der kreisfreien Städte und Landkreise zeigt regionale Unterschiede. In den Landkreisen ist die Zahl der Handwerksunternehmen bezogen auf die Einwohnerzahl höher als in den kreisfreien Städten: In den Landkreisen kamen 2022 durchschnittlich 7,5 Handwerksunternehmen auf 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner, bei den kreisfreien Städten lag der Wert mit 5,3 deutlich niedriger. Geringere Abweichungen gab es bei der Anzahl der tätigen Personen bezogen auf die Einwohnerzahl: Bei den Landkreisen waren es durchschnittlich 61,8 tätige Personen je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner, bei den Städten lag der Wert mit 61 nur geringfügig darunter. Die in den kreisfreien Städten generierten Handwerksumsätze je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern lagen dagegen mit 9.055 Euro über dem Wert in den Landkreisen mit 8.333 Euro. Die Tendenz, dass in den Städten eher größere und umsatzstarke Handwerksunternehmen ihren Sitz haben, wird auch durch die Kennziffer „Tätige Personen je Unternehmen“ bestätigt: In den Stadtkreisen sind im Durchschnitt elf tätige Personen in einem Unternehmen, während es in den Landkreisen acht Mitarbeitende sind.
Fazit: Zukunftschancen und Krisenstabilität
Die Ereignisse und Entwicklungen in den letzten Jahren haben zu Änderungen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geführt. Diese wirkten und wirken sich auch auf das Handwerk aus. Erhebliche Effekte gehen von Fachkräftemangel, Materialengpässen sowie Kostensteigerungen, insbesondere bei den Energiepreisen, aus. Hinzu kommt das teils veraltete Image des Handwerks in der Öffentlichkeit. Häufig werden handwerkliche Tätigkeiten noch mit veralteten Klischees wie harter körperlicher Arbeit und geringen Verdienstmöglichkeiten in Verbindung gebracht. Die Aufstiegsmöglichkeiten sowie der Einzug der Digitalisierung in vielen Bereichen des Handwerks ist in der Gesellschaft noch nicht angekommen und kann zu somit keinem Stimmungsumschwung beitragen.
Die eingangs gestellte Frage, ob der einst dem Handwerk zugeschriebene goldene Boden an Glanz verliert, kann nicht mit einem klaren „Ja“ bzw. „Nein“ beantwortet werden. Nicht zuletzt liegt das an der Heterogenität des Handwerks. Die einzelnen Gewerbegruppen sind sehr unterschiedlich von den verschiedenen Problemlagen betroffen und haben unterschiedliche Potenziale, mit diesen Herausforderungen umzugehen.
Den aktuellen Erschwernissen bedingt durch den Mangel an Arbeitskräften und Arbeitsmaterialien stehen aber auch positive Entwicklungen gegenüber: Ein Punkt, der für die berufliche und wirtschaftliche Sicherheit im Handwerk spricht, sind die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen aufgrund des Klimawandels. Zur Umsetzung der politisch gewünschten Energiewende sind zahlreiche, auch neue, handwerkliche Dienstleistungen gefragt und sichern den betroffenen Gewerbezweigen auf Jahre hin gute Prognosen. Des Weiteren spricht für eine solide Zukunftssicherheit, dass sich bestimmte Leistungen im Handwerk nicht automatisieren lassen sowie eine Präsenz vor Ort erforderlich machen. Das heißt, die Arbeiten können nicht durch Anbieter aus dem Ausland erbracht werden.
Ein mit Einschränkungen behaftetes Indiz für eine größere Krisenstabilität des Handwerks ergibt sich aus der Gegenüberstellung der Umsatzentwicklungen im Handwerk und der Industrie. Danach sind im zulassungspflichtigen Handwerk in 2024 die Umsätze um zwei Prozent zurückgegangen. Dagegen registrierten die rheinland-pfälzischen Industriebetriebe Umsatzverluste in Höhe von acht Prozent. Trotz sehr eingeschränkter Vergleichsmöglichkeiten der beiden Statistiken, die den Angaben zugrunde liegen, haben beide Umsatzbegriffe gemeinsam, dass sie nominal, also ohne Preisbereinigung, ermittelt werden. Nimmt man keinen direkten Vergleich zwischen beiden Wirtschaftsbereichen vor, sondern beschränkt sich bei der Interpretation der Umsatzentwicklung auf den Aspekt, wie sich die Änderungen und Herausforderungen der letzten Jahre von dem Handwerk auf der einen Seite und der Industrie auf der anderen Seite, „verarbeitet“ wurden, scheint das Handwerk weniger anfällig für die Einflüsse zu sein.