Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen
Die Arbeitskreise „Erwerbstätigenrechnung der Länder“ sowie „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ haben im Oktober 2024 bzw. März 2025 erste revidierte Ergebnisse für die Länderebene veröffentlicht. Revisionen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) sind grundlegende Überarbeitungen der vorhandenen Berechnungen, bei denen neue Konzepte, Definitionen, Klassifikationen, Begriffe und Berechnungsmethoden eingeführt sowie neue Datenquellen einbezogen werden. Sie werden in Abständen von mehreren Jahren durchgeführt und finden inzwischen EU-weit alle fünf Jahre statt. Um Brüche in den Zeitreihen zu vermeiden, werden alle Aggregate ab 1991 überarbeitet. Diese auch große oder Generalrevision genannten Überarbeitungen finden zusätzlich zu den regelmäßigen laufenden Überarbeitungen statt, bei denen lediglich drei oder vier Jahre am aktuellen Rand neu berechnet werden.
Das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) 2010, das 2014 europaweit eingeführt wurde, ist weiterhin gültig. Insofern wurden keine neuen Konzepte oder sehr weitreichende methodische Änderungen eingeführt. Allerdings wurden sowohl in den nationalen, als auch in den regionalen VGR kleinere methodische Änderungen vorgenommen und neue Datenquellen eingearbeitet. Die preisbereinigten Ergebnisse (Kettenindizes) wurden auf das neue Referenzjahr 2020 umgestellt. Dies hat jedoch keine Auswirkungen auf die Veränderungsraten.
Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen stellen das umfassendste statistische Instrumentarium zur Beobachtung der Wirtschaft dar. Um ein solches System auch für die Länder zu erstellen, wurde 1954 der Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ gegründet. Diesem Arbeitskreis gehören die Statistischen Ämter der 16 Bundesländer sowie das Statistische Bundesamt und das Statistische Amt Wirtschaft und Befragungen der Stadt Stuttgart als Vertreter des Deutschen Städtetages an.
Das Datenangebot des Arbeitskreises deckt weitgehend die Entstehungs-, Verteilungs- und Verwendungsrechnung auf Länderebene ab. Darüber hinaus werden ausgewählte Aggregate (z. B. Bruttoinlandsprodukt und Wertschöpfung) auf Kreisebene berechnet. Die Berechnungen erfolgen nach dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 2010).
Der Arbeitskreis „Erwerbstätigenrechnung der Länder“ ermittelt nach einem einheitlichen Konzept Ergebnisse über die durchschnittliche Gesamtzahl der Erwerbstätigen in einer bestimmten Periode auf Länder- und auf Kreisebene. Die Daten sind für die regionale Arbeitsmarktbeobachtung sowie für viele wirtschafts- und sozialpolitische Fragestellungen von Bedeutung. Außerdem dienen sie als Bezugszahl für die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
Detaillierte Informationen zu den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und der Erwerbstätigenrechnung der Länder gibt es in den Internetangeboten der Arbeitskreise: www.vgrdl.de bzw. www.aketr.de
Revisionspunkte der nationalen VGR
Die nationalen VGR legen für alle Aggregate das Niveau für Deutschland fest, an das nach den Vorgaben des ESVG die regionalen Ergebnisse zur Wahrung der Konsistenz angepasst werden müssen. Dadurch wirken sich methodische und datenbedingte Änderungen in der Bundesrechnung direkt auf die regionalen VGR aus. Zu diesen übergreifenden Revisionspunkten zählen die folgenden Änderungen:[1]
In einem sogenannten Advice hat Eurostat 2022 eine neue Regelung zur Behandlung staatlicher Zahlungen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in den VGR veröffentlicht. Staatliche Pauschalzahlungen, z. B. Bestellerentgelte oder Trassen- und Stationsentgelte, dürfen nicht mehr als Umsatzerlöse der Verkehrsunternehmen gewertet werden. Der sogenannte Markt-/Nichtmarkttest erfolgt künftig ohne Berücksichtigung dieser Zahlungen, was dazu führt, dass viele ÖPNV-Unternehmen und DB-Infrastrukturgesellschaften nicht mehr als Marktproduzenten, sondern als Nichtmarktproduzenten im Staatssektor gelten. Dies führt aufgrund des Rückgangs der Gütersubventionen zu einer Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts.
Die Schätzungen zur Schattenwirtschaft basieren weiterhin auf Daten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, wurden jedoch durch branchenspezifische Parameter und differenzierte Modelle für Motive bei Fehlangaben verfeinert. Ein eigenständiges Modell für die Schätzung der Wertschöpfung der Prostitution, die in Deutschland zwar legal, aber überwiegend verdeckt ist, wurde ebenfalls verbessert. Durch diese Anpassungen erhöhte sich 2019 die Bruttowertschöpfung in Deutschland um etwa fünf Milliarden Euro. Im Bereich Energieversorgung wird erstmals auch Strom berücksichtigt, der von privaten Haushalten selbst erzeugt und gleichzeitig selbst genutzt wird. Die Bewertung erfolgt zum Strompreis ohne Steuern, Abgaben und Netzentgelte.
In Deutschland wurden Umlagen zur Förderung erneuerbarer Energien, wie die EEG-Umlage, bislang als Teil des Strompreises in den VGR erfasst. Seit der Generalrevision werden diese Umlagen nach Vorgaben von Eurostat als Gütersteuer an den Staat und die daraus resultierenden Zahlungen an Stromproduzenten als sonstige Subventionen gebucht. Damit ist die Umbuchung BIP-neutral, führt jedoch zu einer Erhöhung der Gütersteuern und einem Rückgang der Bruttowertschöpfung im Bereich Energieversorgung. Die EEG-Umlage wurde zum 1. Januar 2023 abgeschafft.
Seit 2020 prüft die Large Cases Unit, ob große multinationale Unternehmen in den Wirtschaftsstatistiken einheitlich und korrekt erfasst sind. Bei Bedarf erfolgt eine Korrektur der Statistiken, oft in Zusammenarbeit mit den betroffenen Unternehmen. Die Erkenntnisse wurden im Rahmen der Generalrevision in die VGR eingearbeitet. Die Auswirkungen auf die Bruttowertschöpfung und das Bruttoinlandsprodukt unterscheiden sich von Fall zu Fall und über die Jahre.
Die Datenquellen für die Berechnung von Produktionswerten und Vorleistungen wurden in den Bereichen Bau, Handel, Gastgewerbe und Dienstleistungen vereinheitlicht und verbessert. Im Ausbaugewerbe werden nun Strukturerhebungen statt der Umsatzsteuerstatistik genutzt, ähnlich wie in anderen Branchen. Im Handel und Gastgewerbe kommen seit 2016 bzw. 2021 die Jahreserhebung bzw. die neue Strukturstatistik als Datenbasis zum Einsatz anstelle der Umsätze aus dem Unternehmensregister. Auch im Dienstleistungsbereich wird vermehrt die Strukturstatistik im Handels- und Dienstleistungsbereich verwendet.
Im Bereich der Erwerbstätigenrechnung wurde die Zahl der Selbstständigen in Anlehnung an die Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung im Mikrozensus reduziert. Die Ansätze für Schwarzarbeit wurden hingegen erhöht, insbesondere im Bereich der häuslichen Dienste.
Die Berücksichtigung von Nebentätigkeiten führte zu einer kräftigen Erhöhung der Arbeitnehmerentgelte. Der Einbau der Arbeitskostenerhebung 2020 als Ausgangsjahr für die Überarbeitung der Durchschnittsverdienste trug ebenfalls zu einem Anstieg der Arbeitnehmerentgelte bei, wie auch die geänderte Buchung von Tagegeldern.
Revisionspunkte der regionalen ETR und VGR
Zusätzlich zu den Revisionspunkten der nationalen VGR haben die regionale ETR und VGR eigene Revisionspunkte umgesetzt:
Eine wesentliche Änderung in der regionalen ETR, ist die weitere Vereinheitlichung der zur Ermittlung der Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. zur Berechnung der Zahl der Erwerbstätigen eingesetzten statistischen Datenquellen. Die Verwendung des Statistischen Unternehmensregisters (URS) als Quelle für den Wirtschaftszweig, dem der Betrieb eines Unternehmens angehört, wurde für die Gruppe der Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Angestellten auf den Sektor „Produzierendes Gewerbe“ erweitert. Bereits in der Revision 2019 wurde bei der Ermittlung dieser Gruppe sowie der geringfügig entlohnten Beschäftigten in weiten Teilen auf die Wirtschaftszweigangaben des URS umgestellt. Die Ausweitung dieser Datenquelle auf weitere Bereiche in der Revision 2024 führt zu einer höheren Einheitlichkeit in der sogenannten Wirtschaftszweigsignierung und damit weniger Unter- und Doppelerfassungen. Zudem erfolgt nun auch die Wirtschaftszweigsignierung der kurzfristig Beschäftigten aus dem URS anstatt aus den Angaben der Bundesagentur für Arbeit.
Weitere Methodenänderungen bzw. Quellenwechsel wurden bei der Berechnung der Zahl der „Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Angestellten“ im Gesundheits- und Sozialwesen und bei der Ermittlung der Zahl der Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen im Bereich „Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden“, im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Handel vorgenommen.
Analog zur Bundesrechnung wurden auch in der regionalen Rechnung Nebenerwerbstätigkeiten in das Arbeitnehmerentgelt einbezogen und die Durchschnittsverdienste der „Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Angestellten“ überarbeitet. Insbesondere stehen mit der neuen Verdiensterhebung seit 2022 detailliertere Informationen zu Verdiensten oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur Verfügung.
Im Bereich der Berechnung der Bruttowertschöpfung in den Dienstleistungsbereichen wurde die neue Strukturstatistik im Handels- und Dienstleistungsbereich (SHD) integriert, die vormals getrennte Statistiken im Handel, Gastgewerbe und Dienstleistungsbereich ersetzt. Zudem wird ab der Generalrevision 2024 vermehrt auf Umsätze aus dem URS zur verbesserten Regionalisierung der Bruttowertschöpfung auf Länder- und Kreisebene zurückgegriffen.
Ebenso wie in der Bundes-VGR wurden zudem die Korrekturvorschläge der Large Cases Unit eingearbeitet sowie ÖPNV und das Schienennetz zum Staatssektor reklassifiziert.
Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit
Nach vorläufigen Berechnungen hatten im Jahresdurchschnitt 2024 rund 2,06 Millionen Erwerbstätige ihren Arbeitsort in Rheinland-Pfalz. Durch die Revision werden die Erwerbstätigenzahlen ab dem Jahr 2001 i. d. R. leicht höher ausgewiesen als zuvor – im Durchschnitt um etwa 0,1 Prozent. Lediglich in den Jahren 2015 und 2016 liegen die revidierten Werte geringfügig unter den bisherigen Ergebnissen (jeweils –0,1 Prozent). Für das Jahr 2019 ergibt sich infolge der Revision ein um 4.400 Personen bzw. 0,2 Prozent höheres Beschäftigungsniveau. Die deutlichste Korrektur betrifft das Jahr 2021 mit einem Anstieg um 8.000 Erwerbstätige bzw. um 0,4 Prozent. Die geringsten Abweichungen zeigen sich zu Beginn der 1990er-Jahre – hier beträgt der Unterschied lediglich 300 Personen. Die Anpassungen in der Bundesrechnung, die unmittelbar auf die Länderergebnisse wirken, fallen noch geringer aus: Vor dem Jahr 2010 ergeben sich keine nennenswerten Revisionsdifferenzen. Ab 2010 wurden die Werte um maximal 0,2 Prozent nach oben korrigiert – die stärksten Anpassungen betreffen dabei die letzten Jahre, in denen neben Revisionseffekten auch turnusmäßige Überarbeitungen berücksichtigt wurden.
Niveaukorrektur Erwerbstätige
Veränderung in %
© Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz
Die Darstellung der Erwerbstätigkeit erfolgt als durchschnittliche Größe des jeweiligen Berichtszeitraumes am Arbeitsort (Inlandskonzept), d. h., die Angaben beziehen sich auf Erwerbstätige, die – unabhängig von ihrem Wohnort – ihren Arbeitsplatz im jeweiligen Gebiet hatten. Zu den Erwerbstätigen zählen alle Personen, die als Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer (Arbeiterinnen bzw. Arbeiter, Angestellte, Beamtinnen bzw. Beamte sowie Heimarbeiterinnen bzw. -arbeiter und marginal Beschäftigte) oder als Selbstständige einschließlich mithelfender Familienangehörigen eine auf wirtschaftlichen Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben, unabhängig von der Dauer der tatsächlich geleisteten oder vertragsmäßig zu leistenden Arbeitszeit. Im Falle mehrerer Tätigkeiten wird der Erwerbstätige nur einmal gezählt (Personenkonzept).